Das letzte Gefecht

Sonne Wind & Wärme
erschienen in Sonne Wind & Wärme 04/2012 S.12-13

Nach­dem die neuen Rekord­instal­lations­zahlen der Photo­voltaik für das Jahr 2011 be­kannt wurden, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Vertreter der großen Energie­versorger, des CDU-Wirtschaftsflügels oder der FDP einen Stopp des schnellen Ausbaus fordern. Alles andere sei ökonomisch nicht vertretbar und energiepolitischer Unsinn. In der Presse werden diese Ansichten nicht selten unkritisch reflektiert. So wird scheinbar die einst viel gelobte Solarenergie binnen kurzer Zeit zum Sinnbild für Fehlentwicklungen der Energiewende.

Wie viel Solarstrom brauchen wir? Aus­gelöst wurde die aktuelle Anti­solar­stimmung höchst­wahr­schein­lich durch die großen Energie­konzerne, unter­stützt durch ihre immer noch exzellenten Kontakte zur Politik. Inzwischen fürchten die Strategen der großen Energieversorger nämlich nichts mehr als den schnellen Ausbau der Photovoltaik, denn der droht ihnen zunehmend ihre Geschäftsgrundlage zu zerstören. Als bei der rot-grünen Bundesregierung eine Änderung der Energiepolitik absehbar wurde, setzten die Energieversorger weiterhin auf klassische Kohle- und Kernkraftwerke. Während der Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Stromversorgung im Jahr 2011 die 20-%-Marke erreichte, weist RWE im Internet für 2010 eine eigene regenerative Stromerzeugung von gerade mal einem Prozent aus. Mit der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke Anfang 2011 schien diese Strategie auch aufzugehen. Langfristig wollten die großen Energieversorger weitgehend auf Offshore-Windparks setzen. Hier ist ein relativ langsamer Ausbau zu erwarten, der das bisherige Geschäftsmodell nur wenig gefährdet.

Stattdessen kam mit Fukushima die erneute Energiewende und aus Sicht der Energieversorger auch noch Hiobsbotschaften bei der Neuinstallation von Solaranlagen. Bereits 2011 deckten Solaranlagen vor allem im Frühjahr und Sommer tagsüber einen Großteil der Spitzenlast. Damit verdrängten sie teure konventionelle Spitzenlastkraftwerke. Als Folge sanken die Preise an der Strombörse, was wiederum auf die Margen der bislang höchst profitablen Kohle- und Kernkraftwerke drückte. Bereits jetzt ist absehbar, dass durch den Solarboom mittags auch die für die Grundlast zuständigen Braunkohle- und Atomkraftwerke gedrosselt werden müssen. Vielmehr noch: Werden in den nächsten fünf Jahren weiterhin so große Mengen an Photovoltaikanlagen wie 2010 und 2011 errichtet, müssen sie dann oftmals komplett heruntergeregelt werden. Genau diese Betriebsweise ist aber Gift für Braunkohle- und Kernkraftwerke. Sie können diese Schwankungen nur bedingt ausgleichen und ihr Verschleiß nimmt dadurch signifikant zu. Das verschlechtert wiederum deren Wirtschaftlichkeit. Früher oder später werden sie schlicht unrentabel oder enden im schlimmsten Fall sogar als Investitionsruinen. Die Zahl der für die Energiewende geeigneten, gut regelbaren Gaskraftwerke im Portfolio der Energieriesen ist hingegen noch recht übersichtlich.

Die Frage ist also schon lange nicht mehr, ob Kohle- und Kernkraftwerke gemeinsam mit erneuerbaren Energien die Energiewende gestalten können. Seit dem Boom der Solarenergie geht es um ein ganz klares Entweder-oder. Das erklärt den massiven Gegenwind für die Solarenergie der letzten Wochen. Bleibt die Frage, warum die großen Energiekonzerne nicht selbst massiv in regenerative Energien in Deutschland investieren, wenn diese angeblich so lukrativ und überfördert sind. Die Antwort ist einfach: Sie würden damit ihren schlecht regelbaren konventionellen Kraftwerken selbst den Todesstoß versetzen. Außerdem liegen die Renditen bei vielen Solaranlagen erheblich unter den üblichen Margen im konventionellen Kraftwerksbereich. Hausbesitzer geben sich auch mal gerne mit 3 bis 4 % Rendite für ihr Solardach zufrieden. Hier erwächst eine neue Konkurrenz, der sich aus Sicht der Energiekonzerne kaum etwas entgegenstellen lässt.

Wird die Vergütung für Solaranlagen über Gebühr gekürzt oder gar der Zubau wie jüngst gefordert begrenzt, wäre diese Konkurrenz erst einmal ausgebremst. Betrachtet man die Kostensenkungen der Solarenergie der letzten Jahre, dürfte dies auch der letztmögliche Zeitpunkt für dieses Ansinnen sein. Zwischen 2008 und 2012 sank die Vergütung für Photovoltaikanlagen um rund die Hälfte. Mit 24,43 Ct/kWh erhält ein Betreiber einer kleinen Solarstromanlage für in das Netz eingespeisten Solarstrom in etwa genau so viel wie er für seinen Strombezug beim Energieversorger bezahlen muss. Weitere drastische Absenkungen der Vergütung werden 2012 und 2013 folgen, sodass diese voraussichtlich in drei bis fünf Jahren noch einmal um Hälfte reduziert wird. Spätestens dann ist der Durchmarsch der Solarenergie nicht mehr aufzuhalten. Wenn eine Vergütung für Endkundensolaranlagen in der Höhe der Hälfte des Endkundenstrompreises für einen rentablen Betrieb ausreicht, werden schlagartig Millionen von Kunden einen wesentlichen Teil ihres Stroms selbst erzeugen. Jede selbst verbrauchte Kilowattstunde aus der eigenen Photovoltaikanlage ist verglichen mit dem Strombezug dann höchst rentabel. Strom der nicht direkt selbst verbraucht werden kann, lässt sich in Batterien vor Ort speichern und nach Sonnenuntergang lukrativ nutzen. Sogar das direkte Heizen mit Solarstrom wird bei einer weiteren Halbierung der Solarstrompreise ökonomisch attraktiv. Selbst wenn dann gar keine Vergütung mehr für in das Netz eingespeisten Solarstrom gezahlt werden sollte, bleiben die Solaranlagen höchst rentabel. Verhindern ließe sich diese Entwicklung künftig nur noch durch eine hohe Sondersteuer auf Solaranlagen. Im Hinblick auf die deutschen Klimaschutzbemühungen dürfte das aber politisch kaum durchsetzbar sein.

Damit droht den großen Energierversorgern bereits in wenigen Jahren, ein größerer Teil des Endkundenstrommarktes wegzubrechen. Dadurch wären sie gezwungen, ihre Preise weiter zu erhöhen, was noch mehr Personen zur Errichtung eigener Solaranlagen ermuntern würde. Der mögliche Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung in Deutschland wird für die nächsten 10 bis 20 Jahre auf bis zu 30 % geschätzt. Solarstrom durch große eigene Solaranlagen für die Endkunden selbst zu erzeugen ist für die Energieversorger auch keine wirkliche Alternative. Sie müssten den Strom über Leitungen teuer zu den Endkunden schaffen und wären damit nur in wenigen Einzelfällen zu Solaranlagen direkte beim Endkunden noch konkurrenzfähig.

Somit geht es für Energieversorger wie RWE in den nächsten Monaten um alles oder nichts. Sie werden weiterhin versuchen, mit einer vorgeschobenen Kostendiskussion ihr letztes Gefecht zu schlagen. Geht ihre Strategie auf, könnten sie den endgültigen Durchbruch der Solarenergie um einige Jahre herauszögern. Generell verhindern lässt sich dieser aber nicht mehr. Ob es für Deutschland volkswirtschaftlich klug ist, beim Ausbau der Solarenergie einen Gang zurückschalten, ist fraglich. China steht mit extrem ambitionierten Ausbauzielen für die Solarenergie in den Startlöchern. Mit der Drosselung des Ausbautempos bei der Solarenergie würden wir ziemlich sicher die Technologieführerschaft an China verlieren und obendrein noch das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele torpedieren.

Volker Quaschning

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